Claus Weidensdorfer (1931-2020)

 

Jahrzehntelang bestimmte Claus Weidensdorfer ganz wesentlich das Kunstleben Dresdens, der Künstler gehörte zu den herausragenden Zeichnern und Grafikern seiner Generation. Als kommentierender Beobachter mit einem ausgeprägten Sinn für Humor, das Skurrile, Ironie und verspielten Witz, aber auch mit Noten anklingender Melancholie hat Weidensdorfer ein markantes wie facettenreiches grafisches Werk von starker Ausdruckskraft geschaffen, das die Zeit überdauern wird.

Absatz 2

Seine Zeichensprache ist im Gegenständlichen verankert, jedoch mit von Abstraktion durchzogen. Ausgehend von der Beobachtung der Menschen seiner Umwelt, der Stadtarchitektur und der Landschaft, aber auch von Themen der Kunstgeschichte und der Musik inspiriert, entstand unter seinen Händen ein Theatrum Mundi unserer Zeit, in dem er die Vieldeutigkeit des Daseins auf anschauliche wie hintergründige Weise herausarbeitet. Viele seiner Kompositionen sind wie Bühnenbilder aufgebaut; sie nutzen die Architektur der alltäglichen Lebensräume, um die Menschen in einem Liniengerüst zu verspannen und zueinander in eine zugeneigte oder auch unbequeme Beziehung zu setzen.

© Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Absatz 3

Aus den Situationen des täglichen Lebens werden auf diese Weise zeitlose und universell deutbare Darstellungen sozialer Bezüge. Weidensdorfers Welt, in dessen Zentrum der Mensch steht, ist geprägt von seiner Geistes- und Herzensbildung. Seine Kunst spiegelt ihren Schöpfer als ewig Neugierigen, der mit seinem künstlerischen „Guckkasten“ den Betrachter jedoch nicht belehren will. Weidensdorfers bevorzugte Drucktechniken, die er seit den 1950er Jahren meisterhaft beherrschte, waren Kaltnadel und Lithographie. Vor allem letztere praktizierte er viele Jahre in ungehemmter Experimentierfreude, verknüpft mit dem entscheidenden Erlebnis der Erfahrung „des Sichtbarwerdens der Entwicklung einer bildnerischen Idee durch ungezählte Zustandsdrucke und Variationen.“ (C.W., Autobiografie 1996) Der künstlerischen Doppelbegabung für das Zeichnen wie das Schreiben verdanken wir auch wertvolle literarische Einblicke in die Entstehung und Bedeutung seines zeichnerischen und druckgraphischen Œuvres. Weidensdorfer beteiligte sich bereits zu DDR-Zeiten an zahlreichen Buchprojekten, darunter dem von Helge Leiberg initiierten gemeinschaftlichen Künstlerbuch-Projekt zum 11. Mai als Tag des „Freien Buches“, das 1982 aus der Taufe gehoben wurde und im Folgejahr zu Leibergs Ausweisung aus der DDR führte.

Absatz 4

Claus Weidensdorfer wurde am 19. August 1931 in Coswig, Kreis Meißen geboren. Als Zwanzigjähriger begann er sein Studium 1951 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK). Während des Studiums entwickelten sich enge Kontakte zu Max Uhlig, Dieter Goltzsche und Werner Wittig. Seinen Lehrern Hans Theo Richter und Max Schwimmer folgend, arbeitete Weidensdorfer von Beginn an hauptsächlich als Zeichner und Grafiker. 1956, im Jahr seines Diploms, wurde er als Mitglied in den Verband bildender Künstler in der DDR (VBK) aufgenommen. Nach einer kurzzeitigen Tätigkeit als Kunsterzieher arbeitete er von 1957 bis 1966 als Assistent für Malerei und Graphik an der pädagogischen Fakultät der HfBK.

© Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Absatz 5

1958 war Weidensdorfer Gründungsmitglied der „Grafikwerkstatt“, einer Druckwerkstatt des VBK. Hier erwarb er sich in den Folgejahren handwerkliche Qualifikation in den klassischen Drucktechniken bei Elly und Hans Schreiter. Durch den Bezug einer Wohnung in der Grafikwerkstatt nutzte er intensiv die Druckpressen für sein graphisches Oeuvre. 1965 zog er in ein Atelier im Loschwitzer Künstlerhaus, das er bis 1992 behielt. Seit 1966 war Claus Weidensdorfer als freischaffender Künstler in Dresden tätig. Von 1975-89 gab er zudem Lehraufträge an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin Schönewalde. In dieser Zeit nahm er an den Pleinairs der Künstlergemeinschaft „Clara Mosch“ teil, war verlegerisch tätig und realisierte bis in die 1990er Jahre zahlreiche Gemeinschaftsprojekte, Bücher und Grafikmappen mit Künstlerkollegen.

Absatz 6

1989 übernahm Weidensdorfer an der Dresdner HfBK einen Lehrauftrag, war 1991 als Dozent tätig und wurde1992 zum Professor für Malerei und Grafik und Dekan des Fachbereichs berufen. Seit seiner Emeritierung 1997 arbeitete Weidensdorfer freischaffend in Radebeul. Weidensdorfers Schaffen wurde durch eine Vielzahl an Preisen gewürdigt, er erhielt unter anderem den Käthe-Kollwitz-Preis (1989), den Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul (2002), den „Arras-Preis für Zeichenkunst und Graphik“ (2004), den Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden (2005) sowie 2014 den Hans-Theo-Richter-Preis der Sächsischen Akademie der Künste.

© Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Absatz 7

Neben vielen Ausstellungsbeteiligungen waren seit den 1960er-Jahren auch zahlreiche Einzelpräsentationen den Arbeiten Claus Weidensdorfer gewidmet: unter ihnen sind beispielhaft die Ausstellungen 1990 in Leipzig, 2000 in Dresden, 2003 in Altenburg, und seitdem in Aschaffenburg, Bitterfeld, Cottbus und Freital, in den letzten Jahren auch verschiedentlich in Dresdener Museen und Galerien zu nennen. Das Kupferstich-Kabinett ist in der glücklichen Situation, mit rund 220 Werken des Künstlers, darunter etwa 65 Zeichnungen, 120 Druckgrafiken, sowie 35 Bücher und Mappenwerke, einen ebenso umfassenden wie facettenreichen Einblick in das Schaffen Claus Weidensdorfers geben zu können. Bereits in den 1960er-Jahren wurden die ersten Werke erworben, und noch im Dezember 2019 schenkte Claus Weidensdorfer dem Kabinett anlässlich dessen bevorstehenden 300. Geburtstages zwei späte Zeichnungen. Bereits im Jahr 2000 würdigte das Kupferstich-Kabinett sein Œuvre mit der monographischen Ausstellung „Mein romantischer Blick – Landschaften: Claus Weidensdorfer“. Die enge Verbundenheit des Künstlers mit der Sammlung spiegelt sich auch in seiner langjährigen Mitgliedschaft im Verein der Freunde des Kupferstich-Kabinetts e.V.

 

Nach langer schwerer Krankheit ist Claus Weidensdorfer am 3. März 2020 im Alter von 88 Jahren gestorben.

Kupferstich-Kabinett

Dresden, 10. März 2020

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